21
Mai
2017

Kunst der Vereinfachung

Da Bewusstsein als Moment des Bwusstwerdens höchstens 7 Perspektiven bzw. Aspekte von 12 möglichen zu erfassen vermag, delegiert das Gehirn die übrigen Kategorien an das Un- und/oder Unterbewusstsein, also vom Kurzzeitgedächtnis ins Ultrakurzzeit- und/oder Langzeitgedächtnis.

E I N S A T Z , D E N N I E M A N D B E H E R R S C H T,

...das ist der sogenannte vollständige Wissenssatz:

Ich erfasse etwas n u r dann v o l l s t ä n d i g , wenn ich über dessen Grund und Zweck in Hinsicht auf seine Ursache und Wirkung verfüge, und zwar nach Art/Weise und Umstand der auffälligen Eigenschaften seines Wesens unter Berücksichtigung des Mittels und Ausmaßes in Raum und Zeit seines Vorscheinens.

Ergänzung: die 12 Perspektiven und Aspekte des Bewusstseins (Kategorien):

Grund und Zweck
Ursache und Wirkung
Eigenschaften und Wesen
Art/Weise und Umstand
Mittel und Maß
Raum und Zeit

Beispiel:

Auf der Party habe ich zu viel geraucht und getrunken, um allen Stress einmal zu vergessen. (Grund und Zweck)
Nikotin- und Alkoholmissbrauch verursachten Kopfschmerzen und einen vernebelten Kopf. (Ursache und Wirkung)
Aspirin soll mich von den Kopfschmerzen befreien und mir wieder einen klaren Kopf verschaffen. (Mittel und Maß)
Ich möchte wieder aufmerksam sein und mich konzentrieren können. (Art/Weise und Umstand)
Das schöpferische Arbeiten soll nicht darunter leiden. (Eigenschaften und Wesen)

20
Mai
2017

Das Gegenteil

"Wer bist du denn?"



"Ich bin das Gegenteil!"



"Gegenteil von was?"



"Das Gegenteil von allem,

denn ohne sein Gegentei

kann nichts sein!"



"Du meinst, dass ein Loch ohne

Punkt nicht sein Kann?"





"Dein Gegenteil zeigt dir,

was du bist! Ohne Tag gäbe

es keine Nacht, ohne Wärme "

keine Kälte, ohne Höhe

keine Tiefe!"



"Zeige mir bitte das

Gegenteil eines Gedankens!"



"Das Gegenteil eines Gedankens

ist die Handlung oder Tat!"





Der Philosoph Heraklit (*544 v. Chr. + 483 v. Chr.) betrachtet als

Grund des Werdens den Streit gegensätzlicher Kräfte. Sind negative Kräfte stärker als positive, dann verschlechtert sich Sein durch Vergehen. Umgekehrt verbessert sich Sein durch Werden, wenn positive Kräfte stärker sind als negativ. Wendet man das Prinzip der Einheit des Gegensätzlichen auf das Begreifen an, dann erweist sich dieses als Vereinen von Gegensätzlichen, beispielsweise:



Gegensatz ... Einheit ... Gegensatz

Zeit ... Materie ... Raum
Körper ... Seele .... Geist
Elektron .... Neutrino .... Positron
Form ... Information... Gestalt
Wissen ... Bewusstsein ... Glauben
Wort ... Gedanke ... Bild

19
Mai
2017

Großvater erklärt "Wesen"

Der Erste Gedanke möchte von seinem Großvater wissen, was "Wesen" bedeutet. Der Großvater versucht das, indem er zunächst damit beginnt, zu sagen, was einen Gedanken als solchen ausmacht. Seiner Ansicht nach entsteht ein Gedanke, sobald das Bild der Fantasie seinen Namen erhält. Ein Gedanke lässt sich mit Hilfe seines Namens überall auffinden.



Natürlich fragt der Erste Gedanke sofort nach seinem Namen. "Dein Name ist 'Gedanke', weil du ein Moment des Denkens bist!" Da aber jeder Gedanke ein Passbild braucht , ist dieses für dich als Erster Gedanke natürlich "Gedanke".



"Sobald du dir dein Passbild anschaust, wirst du dich als Gestalt initiiernde Form erkennen können!" Der altgriechische Name hierfür ist 'Idee'! Ein Gedanke ist also gleich Anzipation eines Verhaltens oder einer Handlung. Das ist sein Wesen, die Art und Weise, wie er im Bewusstwerden anwest.

18
Mai
2017

Der Erste Gedanke trifft seinen Großvater

"Großvater, was ist Nichts

mit etwas darum herum?"



"Ich meine, dass es sich

ganz einfach um ein

Loch handelt!"



"Und was ist Etwas mit

Nichts darum herum?"



"Das ist eine Scherzfrage,

nicht wahr?"



"Nein Großvater!, wirlich

nicht!"



"Gut, dann meinst Du

einen Punkt!

Wenn man einen Punkt

fotografiert, dann sieht

das aus wie eine entwickelte

Fotografie von dir. Punkt ist

gleichsam das Positiv zu

einem Loch!"



Der Großvater mütterlicherseits lebt jenseits physischer Erfahrungen im metaphysischen Bezirk des Alls. Dieser Bezirk ist rein geistiges Gebiet, dessen Bewohner sich Wesen nennen.

17
Mai
2017

Rollenspiele in der Fantasie

Als Fantasiefigur verkleidet begegnet der Erste Gedanke erneut der Lücke, die ihn aufgrund seiner Verkleidung erst gar nicht erkennt.



"Du siehst aber sehr merkwürdig aus! Was ist denn passiert?"



"Warum fragst du mich das?

Ich schütze mich doch nur

vor einer Widerwärtigkeit!

Indem ich eine andere Rolle

spiele, muss ich diese nicht mehr

ertragen und kann ihr so entgehen!"



"Das ist ja wie Zauberei!

Aber Du imitierst damit ja

nur mich!

Indem du dich nämlich in eine

Fantasierolle zwängst, schaffst

du nämlich in der Wirklichkeit

eine Lücke!"



"Willst du damit sagen, dass

ich dann nicht wirklich bin?"



"Genau das, denn wer in der

Fantsie lebt, existiert zwar, aber

eben nur in einer virtuellen Welt!

In einer Traumwelt lebt man am

Leben vorbei!"



Der Erste Gedanke protestiert haftig, Der Grund hierfür ist einleuchtend, denn als Gedanke existiert er lediglich virtuell, noch nicht real eben.



"Du musst schaffen, was du denkst,

um dich verwirlichen zu können!

Du musst wissen, Gedanken existieren

allein durch ihre Werke!"

16
Mai
2017

Wenn sich der Erste Gedanke auf die Suche begi

Der Erste Gedanke befindet sich von Geburt an gleichsam im Nichts, denn seine Nachbarschaft besteht lediglich aus möglichen Formen. Da er aber mit Fantasie begabt ist, malt er sich Bilder aus, um seine Umgebung zu verstehen.



Das Bilderleben des Ersten Gedanken geschieht als Spiel möglicher Möglichkeiten. Da aber Spielpartner fehlen, malt sich der Erste Gedanke diese aus. Die Spielfiguren entlehnt er seiner Umgebung. Dabei spielt der Wirklichkeitsgrad dieser Figuren kaum eine Rolle.



Ein kleines Kind liebt zwar den lebendigen Hund, aber es spielt auch mit seinem Bauklötzchen Waldi", als ob es sich um einen lebendigen Dackel handelt. Der Vorteil dieser Vorstellung liegt darin, dass mit ihr auch ohne Bauklötzchen allein in der Fantasie gespielt werden kann.



Als Spielzeug ist das erste Bild des Ersten Gedankens ein treuer Begleiter des neuronalen Wesens. Zu diesem Bild gesellen sich schnell weitere und begründen eine eigenständige Spielwelt. In dieser Traumwelt lässt sich vor der Aussenwelt geschützt existieren.

15
Mai
2017

Gefühle sind Spiegel

Selbst ist der Spiegel, in dem sich dass Ich emotional bemerkt. Gefühle sind nämlich limbische Rückkopplungen neuronaler Vorgänge. Positive Gefühle zeigen, dass diese störungsfrei verlaufen. Umgekehrt verweisen negative Gefühle auf neuronale Störungen.



Da sich Ich-Reflexion als Bewusstwerden vollzieht, wird diese Entwicklung auch emotional bewusst erfahren. An dieser Selbst-Erfahrung ist die Fantasie durchgängig beteiligt.



Diese Beteiligung bewirkt die Inszenierung der Ich-Reflexion als Bilderleben. Das Ich erlebt sich also selbst innerhalb einer fantastischen virtuellen Bilderwelt, einer Traumwelt gleichsam.



Da das Ich sich selbst niemals anders erfahren hat als durch Betrachten der bildhaften Selbst-Spiegelung, hält es diese seine Erfahrung selbstverständlich auch für wahr.



Um sich dieser Annahme zu vergewissern, nutzt der Erste Gedanke seine nächste Begegnung mit der Lücke.



"Hallo Lücke, wie fühlst Du Dich heute?"



"Was meinst Du damit?"



"Deine Stimmung!"



"Löcher haben keine Stimmungen!"



"Klar, Pausen bzw. Lücken können auch nicht reflektieren.!"

14
Mai
2017

Neuronale Verkehrsprobleme

Das Gehirn hasst Texte, die in ihm nichts bewirken. Es hasst Sätze, die keine Bilder malen. Das Gehirn lehnt also gewöhnlich abstrakte Texte ab. Da es von Natur aus ökonomisch arbeitet, also minimalen Aufwand mit größtmöglicher Wirkung betreibt, vermeidet es, Energie zu vergeuden.



Also Vorsicht vor Abstraktionen, die keinen inneren Bilder erzeugen.

Unanschauliche Abstraktionen schrecken das Gehirn deshalb ab, weil es ihm zu viel Kraft kostet, das Besondere, das sich in ihnen verbirgt, zu entdecken.



Das verlangt oft anstrengende Übersetzungsarbeit. Und das von Natur aus träge Gehirn versucht natürlich, unnötige Arbeiten zu vermeiden.

So bevorzugt es Texte, bei denen es nicht angestrengt nachdenken muss. Es liebt Texte, die ihm nicht nur erzählen, was es bereits aus Erfahrung kennt, sondern es auch in seinen Erfahrungen bestätigen.



Hirnfreundliche Texte erzeugen Bilder, die das widerspiegeln, was ihm vertraut ist. Gute Texte erzählen einem, was man selbst erlebt hat. Das narzisstisch veranlagte Gehirn ist auf Selbstbestätigung aus. Es liebt das Lob und ist ständig auf der Suche nach Komplimenten.



Wenn man also einen für das Gehirn interessanten Text verfassen will, sollte man auf jeden Fall vermeiden, es belehren zu wollen. Man sollte ihm nur das mitteilen, was es unmittelbar selbst bestätigen kann.

Es gibt aber gottlob auch Ausnahmen. Dazu gehören Texte, die das Gehirn neugierig werden lassen. Dann spielt auch Anstrengung keine Rolle mehr.


Ebenso sind Texte beliebt, die seine Arbeit voller Bewunderung betrachten.



Wenn wir auch noch vorhaben, darüber zu schreiben, dann lädt es uns hoch erfreut ein, ihm bei seinem Wirken zuzuschauen.

Also fordert es die Fantasie auf, uns die Türen nach innen zu öffnen, denn tatsächlich führt der Gang in das Innere des Gehirns durch viele Räume von Bedürfnissen, Träumen und Wünschen.

13
Mai
2017

Vorteil der Abstraktion

Abstraktion ist für einen Gedanken wie der Atem gesunder Höhenluft.

Der Erste Gedanke erfährt Abstrahieren als ein sich Entfernen vom sinnlich Vernehmbaren. Er beklagt sich aber darüber, dass Abstrahieren fälschlicherweise dem Denken zugeschrieben wird.



Wird aber bedacht, dass Denken erst geschieht, wenn Gedanken miteinander kommunizieren, dann wird doch sofort klar, dass es die Gedanken sind, die abstrahieren, und zwar, indem sie auf eine ganz bestimmte Art und Weise miteinander kommunizieren.



Der Erste Gedanke behauptet, dass Abstrahieren das Schauen von E twas ermöglicht, das für die Sinne zwangsläufig unsichtbar bleibt. Folgende Begegnung des Ersten Gedanken soll dies zeigen:



"Wer bist Du?"



"Ich bin Nichts mit etwas drum herum!"



"Kannst Du Dich nicht einfacher ausdrücken?"



"Die Zeit nennt mich 'Pause' und der Raum 'Loch'!"



"Und was treibst Du hier ?"



"Ich suche jemand zum Spielen!"



"Und was willst Du spielen?"



"Am liebsten Verstecken!"



"Einverstanden!"



Die Lücke hat sich ein raffiniertes Versteck ausgedacht: das Sein. Aber sobald dies geschieht, zerfällt das Sein in zahlloses Seiendes. Das Versteck der Lücke ist folglich für den Ersten Gedanken sehr leicht zu finden.



Das alles ist nicht mehr unmittelbar konkret, sondern nur noch mittelbar als abstrekte Fantasie in einer virtuellen Wirklichkeit.

12
Mai
2017

Reflexive Lichterscheinung

Tunneleffekt, das ist ein bewusst gewordenes Moment oder reflexiver Blitz. Diese Lichterscheinung wird als besondere Einsicht erlebt. Das Denken erfährt diesen Augenblick, sobald das Bewusstwerden höchste Vigilanz (Wachsamkeit) erfährt. Die Entwicklung solcher Konzentration lässt sich vor allem durch zwei Prozesse erreichen - durch Loslassen in Verbindung mit Askese und durch schöpferisch abstraktes Denken in Verbindung mit Fantasie.

Der Erste Gedanke schildert diesen Vorgang wie folgt:

1. Das Denken beginnt, indem eine Wahrnehmung als Vorstellung erscheint. Dieses Innenbild erhält unmittelbar einen geeigneten Namen. Es ist gewöhnlich eine gelernte Bezeichnung. Das Bezeichnen einer bewusst gewordenen Wahrnehmung wird Identifikation genannt.
"Ich nehme einen blühende Kastanie im Mai wahr und erinnere mich an die vielen Kastanienbäume zu Hause!"

2. Die vergegenwärtigte Wahrnehmung erinnert an damit verbundene Erfahrungen. Das Vergleichen vergegenwärtigter Wahrnehmungen mit Erinnerungen wird Interpretation genannt. "Diese Erinnerung vergegenwärtigt den oft gehörten Satz "Wenn die Kastanien blühen, ist der Sommer vorbei!"

3. Erinnerungen können zu weitergehenden Fragen anregen. Solche Fragen lösen spielerisches Suchen im neuronalen Netz nach Möglichkeiten neuer neuronaler Verbindungen aus. Werden sie gefunden, so werden sie als Einfälle erlebt. Bei dieser Gelegenheit können Kommentare entstehen, die durch die innere Stimme vermittelt werden. Dieser innere Dialog bzw. das Wechselspiel zwischen Fragen und Antworten wird Interrogation genannt.
"Dieser Satz soll wohl an die Flüchtigkeit des Lebens erinnern!"

4. Während der Interrogation findet ein Überschreiten der Grenze zwischen sinnlich vernehmbaren (physischen) und allein geistig vernehmbaren (metaphysischen) Bereich statt. Als Bilderleben wandelt sich Denken zum Schauen von Ideen, das sind schöpferische Gestaltungsmöglichkeiten der Welt. Dieses Schauen wird von innerem Licht begleitet. Der Name für diese Erscheinung ist Introspektion.
"Mir fällt das Kirchenlied ein:

Ach wie flüchtig, ach wie nichtig
ist der Menschen Leben!
Wie ein Nebel bald entstehet
und auch wieder bald vergehet,
so ist unser Leben, sehet!"

11
Mai
2017

Das gezähmte Wort

„Mein Name ist ‚Lust‘. Aber als Wort drücke ich dieses Empfinden längst nicht mehr aus. Aus der harmlosen Mitteilung „Ich habe Lust, Dich zu treffen!“ ist das dem entsprechenden Urlaut eigene Begehren längst entschwunden. Allenfalls bleibt es noch der sexuellen Begierde zwischen Mann und Frau vorbehalten."

Einer Mitteilung wie „Ich habe Lust, Dich zu treffen!“ merkt man nicht mehr an, ob wirklich Interesse an einer Begegnung besteht.

Die kultivierte Sprache hat mit der ursprünglichen Wildheit längst auch den Charakter des unmittelbaren körperlichen Ausdrucks verloren. „Ich freue mich, Sie zu treffen!“ kann unter Umständen sogar das Gegenteil bedeuten.

Die Körpersprache hat sich aus der kultivierten Sprache zurückgezogen. Aber als unbewusste Begleiterin aller sprachlichen Äußerungen schenkt sie uns immerhin noch die Möglichkeit zu prüfen, was eigentlich wirklich gemeint ist.

10
Mai
2017

Namen beim Wort genommen

Ein Wort versammelt um sich jene Erfahrungen, an welche es durch seine Vergegenwärtigungen erinnert. Das Wort „Dreieck“ erfasst alle gewesenen, gegenwärtigen und zukünftigen dreieckigen geometrischen Figuren.

Das Wort „Dreieck“ ist ein besonderes Wort, weil es eine ganze Gruppe oder Menge gleicher Elemente erfasst. Ein solches allumfassendes Wort trägt den Beinamen „Begriff“. Weil ein Begriff allein gemeinsame Eigenschaften von unterschiedlichem sinnlich Vernehmbaren bestimmt lässt sich das, was er benennt, selbst nicht sinnlich erfassen, sondern allein denken.

Mit dem Denken des Allgemeinen vollzieht sich eine weitere Innenwendung. Mit dieser Innenwendung erreicht das Bewusstwerden die höchstmögliche Stufe der Wachsamkeit (Vigilanz). Dieser Wachsamkeitsgrad bzw. diese größtmögliche Erweiterung des Bewusstseins ermöglicht das Vergegenwärtigen des metaphysischen Raumes bzw. des sinnlich nicht mehr vernehmbaren Bereiches. Seit Sokrates und besonders seit Platon, seinem Schüler macht es sich Philosophie zur Aufgabe, dem Denken den Weg in das sinnlich nicht mehr Vernehmbare bzw. allein Denkbare zu bereiten. Das Vorbereiten dieses Weges wird von Platon als Bildung verstanden. In seinem Höhlengleichnis beschreibt er diesen Weg.

Wie lässt sich nun für mich dieser Weg am einfachsten bzw. möglichst anschaulich beschreiben? Folgendes Gedicht von Goethe soll mir dabei helfen.



Ich ging im Walde so vor mich hin

Ich ging im Walde
So vor mich hin,
Und nichts zu suchen,
Das war mein Sinn.

Im Schatten sah ich
Ein Blümlein stehn,
Wie Sterne blinkend,
Wie Äuglein schön.

Ich wollt es brechen,
Da sagt' es fein:
Soll ich zum Welken
Gebrochen sein?

Mit allen Wurzeln
Hob ich es aus,
Und trugs zum Garten
Am hübschen Haus.

Ich pflanzt es wieder
Am kühlen Ort;
Nun zweigt und blüht es
Mir immer fort.

Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832)


Das innere Betrachten der kleinen Blume vollzieht sich von Anfang an philosophisch, weil die Blume als Begriff abstrakt ist. Sie kann für alle möglichen Blumen stehen. Allein die Fantasie vermag der kleinen Blume zu einem konkreten Aussehen verhelfen.


Der Dichter führt den Leser ins Denken, um ihn erkennen zu lassen, was im sinnlich vernehmbaren Bereich höchst selten gelingt, nämlich die Bewegung der eigenen Seele. Die Seele lässt sich bereitwillig grundtriebhaft dazu verführen, sich die kleine Blume bedenkenlos anzueignen.

Aber sie wehrt sich, indem sie die innere Stimme sprechen lässt. Dennoch verliert sie ihr Zuhause und wird verpflanzt. Aber sie gibt in der Fremde nicht auf. Der Selbserhaltungs- oder Lebenstrieb rettet sie. Vielleicht war dieses Gedicht in meiner Jugend mein Lieblingsgedicht, weil es mir vergleichbar erging.

9
Mai
2017

Das Fenster

Bewusstwerden oder Bewusstsein als Moment des Bewusstwerdens besteht aus mehreren uns zugänglichen Prozessen, von denen wir im Alltag gewöhnlich nur zwei nutzen, falls wir nicht gerade künstlerisch oder wissenschaftlich tätig sind.

Diese beiden Vorgänge sind Identifizieren und Interpretieren. Ein Bekannter wird interpretiert, weil ich finde, dass er krank aussieht. Ich lege also seinen Gesichtsausdruck aus. Das ist mein Eindruck von ihm. Dieser mein Eindruck muss nicht stimmen.

Weder Identifizieren noch Interpretieren erlauben einen Blick durchs Fenster nach innen. Ein solcher Einblick verlangt das Aktivieren der Intuition. Ich merke gefühlsmäßig, dass ich den Bekannten fragen sollte, ob mein Eindruck stimmt.

Die Intuition setzt einen weiteren Prozess des Bewusstwerdens in Gang, nämlich das Fragen. So stelle ich mir die Frage, wie ich meinen Eindruck am besten so formulieren kann, dass ich ihn nicht verletze. Das Fragen setzt gleichsam einen inneren Dialog mit der Intuition in Gang. Es kann sein, dass die Intuition aus Vorsicht eine Ersatzfrage anmahnt wie z.B. „Haben Sie auch wegen des Vollmondes schlecht geschlafen?“. Indem man sich selbst das gleiche Übel unterstellt, macht man es einem empfindlichen Menschen leichter zu antworten.

Intuition meldet sich üblicherweise dann, wenn Interpretationen nicht als zutreffend empfunden oder spontan keine Interpretationsmöglichkeiten gefunden werden können.

Wir wollen mehr über Sprache in Erfahrung bringen? Betrachten wir Sprache im Detail, indem wir uns ein einzelnes Wort genauer anschauen.

Ein Wort ruft Erfahrungen ins Bewusstsein. Es sind Erinnerungen, die aufgrund eines gelesenen oder geschriebenen Wortes vergegenwärtigt werden. So erinnert das Wort „Tanne“ besonders in der Advents- und Weihnachtszeit an die Weihnachtstanne zu Hause und erzeugt spontan vielleicht eine Vorstellung vom Weihnachtsfest in der eigenen Kindheit.

Durch diese Betrachtung der Wirkung eines Wortes, wird das Wort gleichsam lebendig und weckt dadurch Emotionen und durch sie zugleich Intuitionen. Es beginnt plötzlich zu interessieren, was gleichsam hinter der Kulisse geschieht, bevor ein Wort Erinnerungen weckt.

Die Intuition bemüht die Logik des Verstandes, um mit Hilfe der Fantasie weiterzukommen.

Das ergibt folgende Überlegung: Ein Wort nennt gespeicherte Erfahrungen beim Namen. Erfahrungen sind neuronal im Gehirn gespeichert. Ein Wort ist also gleichsam die Adresse für eine Menge entsprechender Nervenzellen. Durch das Betrachten der neuronalen Tätigkeit öffnet sich das Fenster nach innen. Der Name für diese Innenwendung ist Introspektion:
Innenwendung = Identifikation —> Interpretation —> Intuition —> Interrogation —> Introspektion

8
Mai
2017

Gleich und gleich gesellt sich gern

"Gleich und gleich gesellt sich gern!" Worte, die gleichgesinnte suchen, um sich verbinden zu können, geben eine Art Suchanzeige auf. Diese Anzeigen werden durch bestimmte Boten (Botenstoffe) übermittelt. Boten, die Suchanzeigen bei sich tragen, werden ihrer Aufgabe gemäß Träger genannt.


Um diese Träger von anderen, beispielsweise von Nachrichtenträgern, unterscheiden zu können, erhalten sie einen besonderen Namen. Tragen heißt lateinisch "vehi". Deshalb erhält ein Träger mit einem Suchauftrag den Namen Vektor. Jedes Wort ist ein möglicher Vektor, weil es seine Aufgabe durchzuführen vermag, indem es sich mit anderen Worten zu einem Satz zu verbinden und gemeinsam mit anderen Worten einen Inhalt zu gestalten vermag.


Um dieser Aufgabe entsprechen zu können, ist jedes Wort mit einem Bild, durch das es sich auszudrücken vermag, ausgestattet. Ansprechbare Wörter zeigen in ihren Bildern etwas Gemeinsames
So können das Wort „Fußweg“ und „Löwenzahn“ aufgrund individueller Erfahrungen Gemeinsamkeiten aufweisen und mit dem Satz „Am Rand des Fußweges wächst ein Löwenzahn“ eine Partnerschaft eingehen. Beide Wörter können Stichworte für diesen Satz sein, denn sie sind durch die im Gedächtnis gespeicherte Erfahrung mit dem Löwenzahn auf dem Fußweg bereits unbewusst miteinander verbunden, bevor sie sich als Satz im Bewusstsein vergegenwärtigen.


Um sich über die vielfältigen Aufgaben klar werden zu können, bedarf es der Grammatik, gleichsam die Strassenverkehrsordnung des neuronalen Netzes. Zunächst muss entschieden werden, ob nur einzelne Sätze gesetzt oder zu einem Kontext bzw. Text zusammengestellt werden sollen.


Soll ein Text entstehen, dann müssen dessen Sätze durch einen übergeordneten Nomen maßgeblich geregelt bzw. gebunden werden. Ein ordentlicher Text sollte leicht gestrickt sein. Die einzelnen Sätze sind durch gemeinsame Bestandteile vernetzt. Beispiel zweier vernetzter Texte: Die G e b ä u d e der kleinen Stadt stammen noch aus dem Mittelalter. Das älteste G e b ä u d e ist das Rathaus. „Gebäude“ ist das übergeordnete neuronale Wort, ein Substantiv, das eine Menge vergleichbarer Objekte bezeichnet.


Warum fällt nun gerade ein Satz wie „Am Rand des Fußweges wächst ein Löwenzahn“ ein? Einfällt, was auffällt oder sich aufdrängt. Die Umstandsbestimmung des Ortes deutet auf eine Erfahrung einer auffälligen Umgebung von etwas. Tatsächlich ist es ein frischgrüner Löwenzahn inmitten des Winters, der als ein natürliches Symbol für die ungewöhnliche Kraft sich durchzusetzen, während der Kehrwoche auffällt und diese sogar übersteht. Das Ungewöhnliche sorgt für die Auffälligkeit der Erfahrung, die sich im Gedächtnis bis zur passenden Gelegenheit, sich zu reaktivieren, bereithält.

Seit 16 Jahren BEGRIFFSKALENDER

Wolfgang F.A. Schmid

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